Allgemeine Zeitung Mainz

Mainzerin erhält Stimmzettel erst drei Wochen nach der Wahl

Nanette Scriba lebt während des Winters auf den Kapverden. Die „eiligen Wahlunterlagen“ erreichen sie erst am 18. März. Über ein ungutes Gefühl und ein Leben im Paradies.

Von Silke Kaul-Fritz

Mainz. Am 23. Februar wurde ein neuer Bundestag gewählt. Aber nicht jeder konnte seine Stimme abgeben. Bei vielen Bundesbürgern, die im Ausland leben, kamen die Briefwahlunterlagen einem Bericht der Tagesschau zufolge nicht oder verspätet an. Die Malerin und Musikerin Nanette Scriba kann ein Lied davon singen. Die gebürtige Mainzerin lebt und arbeitet während des Winters auf den Kapverden vor der Westküste Afrikas. 

Briefunterlagen im November in Wiesbaden beantragt

Auf Facebook postet sie am 18. März ein Bild. In die Kamera hält Scriba zwei Briefumschläge mit dem Aufdruck „eilige Wahlunterlagen“. Sie sind angekommen. Dass sie überhaupt noch Post erhalten würde, damit hat Scriba eher nicht gerechnet. „Insofern war es dann doch fast eine freudige Überraschung – aber nur fast“, sagt sie gegenüber dieser Redaktion. Wenn Nanette Scriba in Deutschland ist, dann wohnt sie im Rheingau. Nach 35 Jahren in der Mainzer Altstadt zogen sie und ihr Mann wegen eines „unangenehmen Investors“ weg. Deshalb musste die Künstlerin ihre Briefwahlunterlagen auch in Wiesbaden beantragen. Das sei am 25. November geschehen. Losgeschickt wurden die Unterlagen, so berichtet Scriba, am 3. Februar, kamen aber laut Poststempel erst am 10. März auf der Insel an. „In der ersten Februarhälfte habe ich fast täglich im Postamt nachgefragt. Als dann klar wurde, dass die Zeit auf keinen Fall mehr reichen würde, waren wir schon sauer“, erzählt Scriba, die sich fragt, warum es nicht möglich ist, über das Internet zu wählen. „Die Digitalisierung in Deutschland lässt halt wirklich zu wünschen übrig.“ Auch die für die Kapverden zuständige deutsche Botschaft in Lissabon habe sich außerstande gesehen, weiterzuhelfen. Beim Wahlamt in Wiesbaden will sie jetzt nochmal nachhaken.

Auf die Frage, ob es generell schwierig sei, auf der Insel Post zu bekommen, antwortet die Künstlerin: „Ja, das ist immer eine Zitterpartie. Als wir uns früher ein Nachrichtenmagazin nachschicken ließen, kam es vor, dass wir über die in den Artikeln erwähnten Politiker höchst erstaunt waren – um dann festzustellen, dass das Heft ein ganzes Jahr lang unterwegs war!“ Es ist das erste Mal, dass sie nicht wählen konnte. „Und das hat sich gar nicht gut angefühlt“, erklärt sie. Das Wahlergebnis findet sie „ungut – vor allem der Zuspruch, den eine rechtsextreme Partei erhalten hat“.

Entschleunigung vor der Küste Westafrikas

Die Kapverdischen Inseln liegen im Atlantischen Ozean, ungefähr sieben Flugstunden von Deutschland entfernt. Wer nach der Inselrepublik Kap Verde googelt, findet traumhafte Bilder von feinen Strände und grünen Bergketten. Die Inseln liegen 460 Kilometer vor der Küste Westafrikas und 1.500 Kilometer südlich der Kanaren. Hier verbringen Scriba und ihr Mann seit 2006 die Wintermonate. „Wir frieren so ungern, und hier ist es immer sommerlich“, sagt sie. Die Entdeckung der Insel war quasi Zufall. „Uns hat interessiert, was es südlich der kanarischen Inseln noch so gibt.“ Sie liebt an ihrem Winterdomizil das „gewaltige Licht, den tosenden Atlantik und die Farben Afrikas“. Zudem finde man hier Entschleunigung. 

Auf der Insel malt sie und findet Inspiration. „Es ist das Licht, das mich triggert, weil es die Farben so spektakulär leuchten lässt, die Figuren so plastisch modelliert und so herrliche schwarze Schatten wirft“, sagt sie. Scriba lebt in einem gemieteten Haus am Meer, wo es auch schon mal sein kann, dass Delfine vorbeispringen oder ein Wal auftaucht.  

Vater war Organist und Kantor an der St. Johanniskirche

Nanette Scriba ist mit Musik und Malerei aufgewachsen. Ihr Vater Hanswolf Scriba war Kantor und Organist an der St. Johanniskirche in Mainz und ihre Mutter Eleonore Malerin. Nach dem Abitur studierte sie Kunsterziehung und Kunstgeschichte und begann parallel eine Karriere als Sängerin mit französischen Chansons und eigenen deutschsprachigen Liedern. Scriba trat im In- und Ausland auf.  

Das musikalische Kapitel hat sie allerdings abgeschlossen. „Mein künstlerischer Kompass ist mittlerweile voll auf die Malerei ausgerichtet“, sagt sie. Nur bei ihren Vernissagen spielt sie den ein oder anderen Song. Scriba malt gerne Menschen. Auf den Kapverden sei sie zur Figürlichkeit zurückgekehrt. „Denn neben Licht und Farben sind es vor allem die Menschen hier, die mich faszinieren, die Fischerfrauen, die Kinder beim Spielen, das alltägliche Leben in den Gassen.“

Malt sie auch Mainzer Motive? „Nein“, antwortet Nanette Scriba, „wahrscheinlich ist mir die Stadt viel zu vertraut, als dass sie mich noch zum Staunen bringen könnte – bei mir eine wesentliche Voraussetzung für malerische Inspiration.“

 

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    „Meine vier Geschwister und ich sind mit
    Chormusik, Instrumenten und Kunst auf-
    gewachsen, denn mein Vater war Kantor und
    Organist an der Mainzer Johanniskirche, meine
    Mutter eine leidenschaftliche Malerin“, erzählt
    Scriba. Während ihrer Schulzeit am Rabanus-
    Maurus-Gymnasium in Mainz lernte sie Geige
    und brachte sich selbst das Gitarrespielen bei.
    Ihre Leidenschaft für französische Chansons
    entstand während mehrerer Familienurlaube in
    Südfrankreich. „Mit der Zeit habe ich mir ein
    großes Repertoire an Chansons, zum Beispiel
    von George Brassens oder Catherine Le Fores-
    tier, angeeignet und bin damit auch öffentlich
    aufgetreten“, erzählt sie. Nach dem Abitur be-
    gann Scriba ein Studium der Kunsterziehung
    und Kunstgeschichte an der Universität Mainz
    und startete parallel auch als Chansonsängerin
    durch. Neben französischen Chansons hat es ihr
    auch die Musik von Singer-Songwritern wie
    Paolo Conte, Leonard Cohen oder Suzanne Vega
    angetan. „Außerdem haben mich die ironisch-
    frechen Songs von Nina Hagen inspiriert. Ihre
    Songs zu interpretieren, war für mich als Kanto-
    rentochter, aber auch als Musikerin ein Befrei-
    ungsschlag“, erzählt sie schmunzelnd.

    Poesie verpackt in Musik

    Ihr erstes Album mit französischen Chansons er-
    schien 1981. Ein Jahr später gewann sie beim
    weltweit ausgeschriebenen Chansonwettbewerb
    der Alliance Francaise in Paris in der Kategorie
    Europa den ersten Preis. Mit der Zeit wuchs in ihr
    der Wunsch, sich auch deutschsprachigen Texten
    zu widmen und einen eigenen Stil zu entwickeln.
    Sie begann deutsche Lyrik und Gedichte zu verto-
    nen. Später fasste sie den Mut, eigene Songs zu
    schreiben. „Deutsche Texte sind sperrig. Sie zum
    Klingen zu bringen und den Esprit der französi-
    schen Chansons zu transportieren, war anfangs
    eine Herausforderung“, erinnert sie sich. Musika-
    lisch kombiniert Scriba gerne verschiedene Stile:
    So treffen poetische Chanson-Einflüsse auf Pop
    und Jazz. „Meine Lieder handeln von dem, was
    ich erlebt habe. Sie erzählen von magischen Mo-
    menten, skurrilen oder faszinierenden Begeg-
    nungen, aber auch von Melancholie oder weni-
    ger schönen Dingen.“ Gerne spielt Scriba in ihren
    Songs auch mit Humor und Ironie. „Mein Lied
    über die Schickis nimmt beispielsweise die Pro-
    miwelt auf die Schippe“. Nach einem Kontaktstu-
    dium der „Popularmusik“ an der Musikhochschu-
    le Hamburg folgten erste Auftritte im deutschen
    und ausländischen Fernsehen, zum Beispiel 1994
    in einer großen chinesischen Fernsehshow. Ein
    Jahr später strahlte das polnische Fernsehen ein
    halbstündiges Special über sie aus. Ihre Version
    der Barockarie „Cold Song“ schaffte es sogar
    schon als Hintergrundmusik, neben Songs von
    Sting, Klaus Nomi und Sindad O’Connor, in eine
    Tatort-Folge und wurde 2014 bei der Präsentati-
    on der Herbst-Winter-Kollektion von Dominic
    Louis auf der New York Fashion Week verwendet.
    Mit dem Sänger und Pianisten Dirk Raufeisen
    stand Scriba zudem als Duo auf der Bühne und
    veröffentlichte drei Alben, darunter das Album
    „Mit brennender Geduld“ (2001). Außerdem trat
    sie mit ihrer Band auf, zu der neben Raufeisen
    auch die Musiker Dirko Juchem (Saxophon) und
    Tobias Schirmer (Schlagzeug) gehörten.

    Die Kapverden als Inspirationsquelle

    Auf die Kapverden, eine Inselgruppe im Atlanti-
    schen Ozean, verschlug es Scriba im Jahr 2005
    hingegen eher zufällig. „Mein Mann und ich ver-
    bringen den Winter gerne in wärmeren Gefil-
    den.“ Inzwischen ist die kapverdische Insel Maio
    ihr zweites Zuhause. Die restliche Zeit lebt sie
    auf einem Weingut in Wiesbaden-Frauenstein
    im Rheingau. „Das besondere Licht, die Farben
    und die Anmut der Menschen auf den Kapver-
    den haben mich begeistert und motiviert, wie-
    der Pinsel und Farbe in die Hand zu nehmen.
    Seitdem widme ich mich ausschließlich der Ma-
    lerei“, verrät Scriba. Am liebsten malt sie an ih-
    rem großen Tisch mit Blick aufs Meer, anfangs
    mit Aquarellfarben. Heute bevorzugt sie Acryl.
    „In Acryl zu malen gibt mir Freiheit. Ich kann
    endlos korrigieren und übermalen. Meine Figu-
    ren werden dadurch plastischer. Der Hinter-
    grund dagegen verschwimmt wie beim Aquarell
    durch eine spezielle Lasurtechnik“, erzählt sie.
    Inspiration für neue Bildideen findet sie in eige-
    nen Fotografien, die sie auf ihren Streifzügen
    über die Insel sammelt. Doch die Kapverden bie-
    ten nicht nur ein paradiesisches Bild, erklärt sie.
    „Viele Menschen außerhalb der Hauptstadt le-
    ben oft in Armut. Die jungen Leute in der Stadt
    dagegen sind meist perfekt gestylt und haben
    alle ein Smartphone. Diese Gegensätze möchte
    ich in meiner Malerei ebenso festhalten, wie die
    alltäglichen Momente des Lebens auf der Insel.“

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